Praxisnahe juristische Ausbildung an der Universität Marburg
Die juristische Ausbildung gilt traditionell als wenig praxisorientiert. Deshalb startet das Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse der Philipps-Universität Marburg jetzt einen praxisbezogenen Ansatz. Sogenannte Monitors – juristis
Freitag, 8 April, 2011
Die juristische Ausbildung gilt traditionell als wenig praxisorientiert. Deshalb startet das Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse der Philipps-Universität Marburg jetzt einen praxisbezogenen Ansatz. Sogenannte Monitors – juristische Beobachter – werden das am 18. Januar 2011 begonnene Hauptverfahren gegen den Ruander O. R. hautnah miterleben, der vor dem Oberlandesgericht Frankfurt mit der Anklage auf Völkermord stattfindet.
Dabei gilt die Universität Marburg deutschlandweit als Vorreiter, denn Prozessbeobachtungen sind bisher noch keinesfalls etabliert. Doch solche Monitoring Programme sind in internationalen Strafprozessen sehr üblich, und die Auswirkung einer solchen Teilnahme auf die Motivation der Studenten ist ebenfalls nachgewiesen.
Insgesamt 90 Bewerber waren zu verzeichnen, rund 30 Teilnehmer konnten berücksichtigt werden. Sie gehören unterschiedlichsten Semestern der Rechtswissenschaft an sowie der Friedens- und Konfliktforschung. Auch wurden die Teilnehmer auf ihre Aufgabe als Prozessbeobachter vorbereitet durch einschlägige Workshops zum Thema Völkerstrafrecht und Strafverfahrensrecht. Hinzu kam ein Besuch eines Prozesses am Landgericht Marburg, der vor dem Schwurgericht stattfand.
Die Beobachtung solcher Prozesse soll die Basis sein, das deutsche Strafverfahrensrecht in solchen Fragestellungen hinsichtlich seiner Belastbarkeit zu analysieren. Im deutschen Strafprozessrecht gelten derartige Verfahren mit Auslandsermittlungen, Zeugen aus fremden Kulturkreisen und fremden Regimen mit zweifelhafter Rechtsstaatlichkeit als Neuland, dass vor wissenschaftlichen Hintergründen genau auszuwerten ist.
Doch das Monitoring-Projekt bietet noch mehr – es startet eine neue praxisbezogene Ausbildung. Die regelmäßige Teilnahme an solchen Prozessen macht das Strafrecht und das Strafprozessrecht greifbar und erlebbar und vermittelt damit ein praxisnahes Verständnis.
Der Prozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt geht am 14.02.2011 in die nächste Runde. Der ruandische Staatsbürger O. R. (53) soll im April 1994 zu Progromen gegen die Tutsi-Bevölkerung aufgerufen haben und für den Mord an mehr als 3.700 Angehörige der Minderheit verantwortlich zeichnen. Daher lautet die Anklage auf Völkermord und Mord sowie auf Anstiftung zum Völkermord und Mord.